Geschlechter im Museum
Bericht über die 6. Sitzung der AG Geschlechterforschung am 02.09.2013 in Lübeck
Ein kleines Jubiläum konnte die AG Geschlechterforschung diesmal verzeichnen: Vor 10 Jahren fand die AG zum ersten Mal statt, und zwar in Ingolstadt. Daran erinnerten die zwei Specherinnen Jana Fries und Ulrike Rambuscheck in ihrer Begrüßung. Dann ging es zum Thema dieser Sitzung, die auf der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung stattfand. Was hatten die rund 20 Besucherinnen und Besucher im Raum 18 der Lübecker Musikhochschule, die sich am Montagmorgen dort eingefunden hatten, zu erwarten? Die Sprecherinnen erläuterten die verschiedenen Perspektiven, aus denen das Thema angegangen werden kann: Zum einen können Geschlechterrollen in archäologischen Ausstellungen thematisiert werden, dann unter dem Stichwort „Besucherforschung“ geht es um die Erwartungen von Besucherinnen und Besuchern an Museen/Ausstellungen und als letzten Punkt kann das Berufsfeld Museum und seine Chancen für Männer und Frauen untersucht werden. Alle Vorträge kreisten dann mehr oder weniger um den ersten Punkt, doch dies zeigt die jetzige Forschungslage, zu der es zu den zwei anderen Aspekten so gut wie keine Studien gibt.
Kristina Nowak-Klimscha stellte die Sonderausstellung „Land der Entdeckungen – Die Archäologie des ostfriesischen Küstenraums“ vor und mit ihr Beispiele dafür, wie in dieser Schau, die in der ersten Hälfte 2013 in Emden gezeigt worden war, Geschlechterrollen thematisiert worden waren. Für sie als Kuratorin dieser Ausstellung war wichtig gewesen, dass alle Geschlechter und auch Altersgruppen vorkamen. Besonders gut ging dies bei Gräbern. Wenn keine guten Bestattungen vorhanden sind, ist es schwierig, Geschlechterrollen darzustellen. Zum Beispiel konnten bei der Trichterbecherkultur die Grabbeigaben keinem Geschlecht zugeordnet werden, d.h. die Objekte blieben in dieser Beziehung „stumm“.
Christina Jacob, Kuratorin an den Städtischen Museen Heilbronn, stellte die Dauerausstellung in der Archäologischen Sammlung vor, die 1991 eröffnet worden ist. Seitdem sind neue Funde hinzugekommen, die die Dauerausstellung verändert haben, auch wenn es keine Neukonzeption gab. Für Christina Jacob zeigt sich ihre eigene persönliche Entwicklung auch anhand der Veränderungen in der Ausstellung: Zum Beispiel wollte sie 1991 die Ereignisse von Talheim, einem Massenmord an 34 Personen aus drei Generationen vor 7.000 Jahren, nicht in den Mittelpunkt stellen. Seitdem es 2007/8 eine Sonderausstellung dazu gab, sind die Silhouetten, die das Leben der damaligen Menschen – Frauen, Männer und Kinder – darstellen sollen, ein Teil der Dauerausstellung.
Im Vortrag „Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?“ von Christiane Schmid-Merkl und Christian John vom Archäologischen Museum Colombischlössle in Freiburg i.Br. ging es darum, was die Archäologie zu dieser, von der Populärkultur häufig positiv beantworteten Frage, beisteuern kann. Sie stellten eine Ausstellungskonzeption vor, deren Realisierung ab Oktober 2014 in Freiburg gezeigt werden soll. Spannend an dem Konzept ist, dass die Besucherinnen und Besucher mit ihren eigenen Klischees über Geschlechterrollen konfrontiert werden sollen. Anhand von fünf Themenblöcken, die von der Frage, wie Objekte ein Geschlecht erhalten, bis zu den archäologischen und anthropologischen Möglichkeiten, Aussagen über Geschlechterrollen zu erlangen, reichen, sollen die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung die Erkenntnis mitnehmen, dass Geschlechterrollen immer einem historischen Wandlung unterlegen waren.
Kerstin Kowarik stellte ein Forschungsprojekt vor, bei dem es zu einer Revision bestehender Lebensbilder zum Hallstätter Salzbergbau durch neue anthropologische Analysen an Kinder- und Jugendlichen-Skeletten aus dem Gräberfeld Hallstatt der älteren Eisenzeit gekommen ist. Interessant sind hier besonders die neuen Erkenntnisse, ab welchem Alter Kinder im Bergbau tätig waren. Nämlich bereits mit drei Jahren wurden sie in die Arbeit unter Tage eingebunden, wahrscheinlich hielten sie Leuchtspäne. Aufgrund von pathologischen Veränderungen der Halswirbelsäule konnte geschlossen werden, dass bereits 5-jährige Kinder schwere Lasten trugen. Diese Aspekte wurden nun neu in die alten Lebensbilder aufgenommen, ebenso wurde das einseitige Tragen von Lasten bei Frauen nun stärker deutlich gemacht. Ein Ergebnis dieses Projektes ist auch die Erkenntnis, wie wichtig es ist, eng mit denjenigen zu arbeiten, die die Lebensbilder herstellen, ein Aspekt, der in der Vergangenheit häufig unterschätzt wurde.
Als nächstes stellten Jutta Leskovar und Kerstin Kowarik ihr laufendes gemeinsames Projekt „Prähistorische Genderbilder“ vor, in dem sie Geschlechterverhältnisse in musealen Darstellungen, also Lebensbilder und Rekonstruktionsdarstellungen, in österreichischen Museen erfassen. Es wird neben der Bildanalyse auch eine Textanalyse der begleitenden Ausstellungstexte vorgenommen. Das vorläufige Fazit ist nicht überraschend: Frauen haben keine Geschichte und Geschichte hat keine Frauen, d.h., Frauen sind unterrepräsentiert in Bildern wie auch in Texten, sie werden hauptsächlich inaktiv gezeigt und auch traditionelle Rollen von Frauen wie Geburt, Hausarbeit und Kindererziehung, sind unterrepräsentiert.
Claudia Merthen ging auf alle Aspekte der Sitzung ein. Hierzu stellte sie das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg vor. Seit 2006 gibt es dort eine neue Präsentation, die von der Steinzeit bis in die Karolingerzeit führt. Das Museum versteht sich als kulturhistorisches und es werden geschlossene Funde gezeigt. Geschlecht kann bei so einer Konzeption, die rein auf die Objekte und die Grabzusammenhängen setzt, nur in Führungen sichtbar gemacht werden. Die Archäologievermittlung, also Führungen und Museumspädagogik, wird über eine zentrale Stelle, die für alle Museen in Nürnberg zuständig ist, angeboten. Hier arbeiten fast nur Frauen als freie Mitarbeiterinnen. Eine Befragung der Besucherinnen und Besucher hat ergeben, dass die Angebote für Jugendliche lehrplankonform sein müssen, damit sie von den Schulen angenommen werden.
Im letzten Vortrag stellte Gabriele Zipf die Konzeption der Dauerausstellung im paläon – Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere vor, bei der sie Projektleiterin war. Bei diesem Thema – Jagd mit Speeren – war es besonders wichtig, auf eine ausgewogene Darstellung von Frauen und Männern zu achten. In den verschiedenen Institutionen, die mit der Planung dieses neuen Museums betraut waren, hatte es die Referentin fast nur mit Männern zu tun. Und auch die Wissenschaftler, die an den Ausgrabungen beteiligt waren, sind fast alles Männer gewesen. Die Lebensbilder, die Alltagsszenen darstellen, folgten der Vorgabe: Alle machen alles. So sind auch Frauen bei der Jagd dargestellt genauso wie Männer beim Sammeln von Früchten. Die Malweise der Lebensbilder bleibt bewusst diffus, damit erst gar keine Rollenklischees entstehen können. Bei der einen Dermoplastik, die hergestellt werden sollte, hat sich das Planungsteam allerdings für einen Mann entschieden. Die Entscheidung, in den Ausstellungstexten wegen der besseren Lesbarkeit nur die männlichen Formen zu benutzen (z.B. Jäger und Sammler), führte in der Diskussion zu kontroversen Äußerungen.
In der Abschlussdiskussion wurde noch einmal deutlich, dass es eigentlich selbstverständlich sein sollte, in Museumsausstellungen die Geschlechterfrage zu thematisieren, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Ausstellungsteams sollten aus Männern und Frauen bestehen, was aber häufig nicht der Fall ist. Auch wenn es relativ viele Frauen im Museumsbereich gibt, scheinen es oft genug noch nicht ausreichend viele zu sein.
Die Vorträge sollen wieder, wie schon diejenigen der vorangegangenen Sitzungen, publiziert werden.
Ulrike Rambuscheck
Drei dieser Vorträge sind in Band 12 der Reihe Frauen – Forschung – Archäologie erschienen.