AG Geschlechterforschung: Methoden der Geschlechterforschung
Bericht über die 3. Sitzung der AG Geschlechterforschung auf der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumskunde in Schleswig am 8. Oktober 2007
• Organisation: FemArc – Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen,
Jana Esther Fries und Ulrike Rambuscheck
Tagungsbericht:
Die 3. Sitzung der AG Geschlechterforschung fand am 8.10.2007 während der Jahrestagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Schleswig statt.
Kurt Alt (Mainz) gab einen Überblick über die neuesten Ansätze in der Osteoarchäologie, die für die Geschlechterforschung von Bedeutung sind. Zu Anfang machte er deutlich, wie wichtig es ist, anthropologische und archäologische Bestimmung unabhängig von der anderen Disziplin durchzuführen. Dann zeigte er auf, wie an Belastungsmustern, d.h. körperlichen Tätigkeiten, die am Skelett sichtbar werden, zu erkennen ist, wie gender und sex zusammenwirken und „gegenderte“ Körper hervorbringen. Als nächstes Thema schnitt er die DNA-Analyse an: Als Durchbruch in der Geschlechtsbestimmung gerade auch bei Kindern wird oft diese Methode angesehen. Doch Kurt Alt dämpfte diese Hoffnung, da gerade Kinderskelette meistens sehr schlecht erhalten sind und sie außerdem noch wenig Collagen besitzen. Als neue Methode stellte er den Nachweis von Schwangerschaftshormonen in den Knochen vor. Zum Schluss machte er an mehreren Fallbeispielen deutlich, dass biologische und soziale Familien zwei auch von ArchäologInnen und AnthropologInnen zu unterscheidende Sachen sind. In der Diskussion bestätigte Kurt Alt, dass das Bewusstsein der meisten AnthropologInnen für gender noch sehr gering ist und plädierte für mehr Interdisziplinarität zwischen Anthropologie und Archäologie.
Raimund Karl (Bangor, Wales) sprach über sexuelle Beziehungen, Trennungs- und Unterhaltsrecht in der Keltiké anhand von Rechtstexten. Danach können für Irland und Wales in der Zeit vom 6. bis zum 13. Jh. vielfältige „Eheformen“ nachgewiesen werden. Vom Mittelalter auf die Eisenzeit rückzuschließen, wird gemeinhin durch die einfache Methode der Analogie bewerkstelligt, doch wendet Raimund Karl die komplexere Methode der historischen Physik an: Dadurch kommt er zu komplexen Verwandtschaftsmodellen, die mit dem immer noch bei der Interpretation vorherrschenden viktorianischen Familienmodell nicht viel gemeinsam haben.
Julia K. Koch (Leipzig) stellte die Methode der Textanalyse anhand ihres Habilitationsprojektes „Mobilität der Geschlechter“ vor. Dabei untersucht sie 20 wissenschaftliche Texte mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse in Bezug auf Aussagen zur Mobilität von bronze- und eisenzeitlichen Individuen.
Diese Methode wendet Sabine Metzler (München) ebenfalls in ihrem Dissertationsprojekt an. In ihrem Vortrag legte sie den Schwerpunkt auf das Auffinden des gender-bias in wissenschaftlichen Texten, d.h. die verzerrte Wahrnehmung der Geschlechter durch Voreingenommenheit. Neben wissenschaftlichen Texten hat sie sich auch bewusst für die Analyse von Museumstexten entschieden. Beide Referentinnen betonten, dass es ihnen nicht darum gehe, die Sprachstile von einzelnen WissenschaftlerInnen zu kritisieren, sondern die Texte daraufhin zu untersuchen, wie sprachliche Topoi in Bezug auf gender verwendet werden und was dadurch ausgesagt wird bzw. gar nicht mehr gesagt werden muss.
Kerstin P. Hofmann (Rom) beleuchtete kritisch in ihrem Vortrag „Grabbefunde zwischen sex und gender“ die methodischen Vorgehensweisen bei der Interpretation dieser Quellengattung. Besonderen Wert legte sie auf die Unterscheidung zwischen geschlechtsspezifischen Beifunden, die tatsächlich nur von einem Geschlecht verwendet werden können, wie Pessare von Frauen, und geschlechtertypischen Beigaben, die beiden Geschlechtern mitgegeben werden konnten, aber typischerweise meistens nur dem einen, wie Waffen oder Spinnwirtel.
Daniela Nordholz, die für die verhinderte Aurelie Daems eingesprungen war, ging in ihrem Vortrag der Frage nach, ob die geschlechtsspezifische Paläopathologie geeignet ist, neue Aspekte in die archäologische Forschung zu bringen. Als Beispiel stellte sie die frühneolithischen Skelette aus Bruchstedt in der Nähe von Bad Langensalza in Thüringen vor. Allerdings konnten nur 7 Männer und 14 Frauen sicher bestimmt werden, was wenig aussagekräftig ist. Größere Skelettserien, die noch nicht anthropologisch untersucht worden sind, könnten in Zukunft mehr Aufschluss auf diese Frage bringen.
Der Vortrag von Corinna Endlich zu geschlechtsspezifischen Verhaltensmustern musste leider ausfallen.
In der Abschlussdiskussion wurde darauf hingewiesen, dass es zwar keine speziellen Methoden der Geschlechterforschung gibt, dass aber die Geschlechterforschung sich dadurch auszeichnet, dass sie ihre Methoden explizit offen legt, sehr genau auf ihren Sprachgebrauch achtet und häufig interdisziplinär angelegt ist.
Die Tagungsbeiträge werden als Band 8 in der Reihe „Frauen – Forschung – Archäologie“ vorraussichtlich Frühjahr 2009 erscheinen.
Ulrike Rambuscheck
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