AG Geschlechterforschung: Tüchtige Frauen in Wirtschaft und Militär
Bericht über die 4. Sitzung der AG Geschlechterforschung auf der 79. Jahrestagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. in Detmold am 31. August und 1. September 2009
• Organisation: FemArc – Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen,
Jana Esther Fries und Ulrike Rambuscheck
Tagungsbericht:
Der Nordwestdeutsche Verband hatte aus Anlass des 2000-jährigen Jubiläums der Varusschlacht nach Detmold eingeladen. Da war es für die AG Geschlechterforschung naheliegend, sich mit Geschlechteraspekten von Militär und Krieg zu beschäftigen. Doch zuerst wurde am Montagnachmittag das Thema Wirtschaft – Handel – Handwerk unter geschlechterspezifischem Blickwinkel erkundet. Ca. 20 ZuhörerInnen hatten sich zur Sitzung in der Hochschule Ostwestfalen Lippe eingefunden.
Der Ur- und Frühgeschichtler Tim Kerig aus Köln stellte in seinem Vortrag „ … und Eva spann. Quantitative Aussagen zur Archäologie der geschlechtlichen Arbeitsteilung“ das Kölner Tableau vor, ein Instrument, um wirtschaftliche Vorgänge zeitlich messen zu können. Anhand dieses Tableaus, das auf ethnologischen Untersuchungen beruht, kann z.B. festgestellt werden, dass der Wert eines eisenzeitlichen Mantels, was die Arbeitsleistung betrifft, dem von 50 latènezeitlichen Dolchen mit Scheide entspricht. Eine andere Erkenntnis dieser wirtschaftsarchäologischen Forschungen ist, dass erst mit der Anspannung von Zugvieh für die Pflanzenproduktion mehr Zeit für andere Tätigkeiten wie Textilherstellung oder Metallurgie zur Verfügung stand. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie schwierig es ist, bestimmte Arbeiten Frauen oder Männern zuzuweisen, will man nicht in altbekannte Klischees verfallen.
In ihrem Vortrag „Oikos, Prestige und wirtschaftliche Handlungsräume von Argeadinnen und hellenistischen Königinnen“ räumte die Althistorikerin Sabine Müller aus Hannover mit den alten Vorstellungen von machthungrigen Aristokratinnen im antiken makedonischen Reich auf. Indem von der sozialen Rolle und ihrer Stellung im politischen und wirtschaftlichen Netz ihrer Zeit ausgegangen wird, wird man Aristokratinnen wie Eurydike, der Großmutter Alexander des Großen, oder der hellenistischen Königin Laodike III. gerecht. Euridyke z.B. war es aufgrund ihrer Einkünfte aus Ländereien möglich, Söldnerführer zu engagieren und militärisch einzugreifen, um ihre unmündigen Söhne zu unterstützen und so die Herrscherlinie an der Macht zu halten.
In dem Vortrag „Big Men und Frauen als sozioökonomische Ressource. Ein Modell für die vorrömische Eisenzeit“ ging es dem Ur- und Frühgeschichtler Jochen Brandt aus Hamburg darum, für den archäologischen Fundniederschlag aus der vorrömischen Eisenzeit ein geeignetes Gesellschaftsmodell zu finden. Das Konzept des big man, wie es in der Ethnologie bei Gruppen aus Melanesien entwickelt worden ist, scheint ihm hierfür passend. Es handelt sich hierbei um eine segmentäre Gesellschaftsform, die nur für den unmittelbaren Bedarf produziert. Big men erhalten in diesen Gesellschaften über ihre Frauen Prestige. Je mehr Frauen sie haben, desto mehr Güter erhalten sie, die sie weiter verteilen können. Ob dieses Gesellschaftsmodell in der vorrömischen Eisenzeit (zusammen mit Polygynie) bestanden haben könnte, wurde zur Diskussion gestellt.
Die Klassische Archäologin Anna Kieburg aus Bonn stellte in ihrem Vortrag „Geschlechterrollen in der römischen Gastronomie in Italien und den Provinzen“ erste Ergebnisse ihres Dissertationsvorhabens vor. Lange Zeit wurden Kneipen mit Bordellen gleichgesetzt, was zu einer Abwertung der dort tätigen Frauen geführt hat. Bekannte Fundorte von Gaststätten sind Pompeji, Herkulaneum und Ostia. Die Darstellungen, die dort in Gebäuden, die als Gaststätten identifiziert werden können, gefunden worden sind, zeigen jeweils Frauen und Männer als Bedienende, Verkäufer und bei erotischen Übungen. Die Referentin konnte deutlich machen, dass Frauen im Gaststättengewerbe den Männern gleichgestellt waren und dass die erotischen Darstellungen keineswegs, wie häufig in der Literatur zu finden, auf Prostitution hindeuten, sondern die Sicht der Unterschicht darstellten und zur Belustigung der Gäste angebracht waren.
Den Abschluss dieses ersten Teils der AG Geschlechterforschung bestritt die Ur- und Frühgeschichtlicherin Doris Gutsmiedl aus Bonn mit ihrem Vortrag „Alter- und geschlechtsspezifische Zuweisung von Hand- und Hauswerk im frühen Mittelalter nach Aussage von Werkzeug und Gerät aus Gräbern der Münchner Schotterebene“. Vier merowingerzeitliche Gräberfelder wurden daraufhin untersucht, wie sich die Funde auf die Geschlechter und die verschiedenen Altersklassen verteilen. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Männer als Handwerker und Krieger klassifiziert werden können und die Frauen für Textilherstellung und ‑bearbeitung zuständig waren. Auffallend ist, dass Waffen und Werkzeuge Männern meistens erst in dem Alter beigegeben worden sind, wo sie auch damit umgehen konnten, also ab Alterklasse juvenil, Mädchen z.T. aber schon recht früh mit den Werkzeugen zur Textilherstellung wie Messer oder Wirtel bedacht worden sind.
Der zweite Teil der AG Geschlechterforschung zum Thema 2000 Jahre Varusschlacht – Geschlechteraspekte der römischen Armee und der römischen Okkupation fand am Dienstagvormittag statt. Die Althistorikerin Edith Specht aus Wien hatte kurzfristig absagen müssen. Dankenswerterweise wurde ihr Vortrag „Tüchtige Frauen in Austria Romana“ von Daniela Nordholz vorgelesen. Aufgrund von Grabsteinen und Inschriften kann für die römische Provinz Noricum das Leben von Frauen unter dem römischen Einfluss nachgezeichnet werden. Besonders augenfällig ist der Zusammenhang von der Stationierung römischer Soldaten und den Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung, besonders die Frauen, da sie in solchen Zeiten die gesamte wirtschaftliche Last trugen. Vom Selbstbewusstsein der einheimischen Frauen zeugt die Tatsache, dass sie sich häufig in ihrer Landestracht auf Grabsteinen abbilden ließen
Auf die Lage von einheimischen Frauen durch die Stationierung von Soldaten ging auch die Klassische Archäologin Yvonne Schmuhl aus München in ihrem Vortrag „Soldatenehen und ihre Bedeutung für den Romanisierungsproszess“ ein. Am Beispiel der Soldatenehen zeigte sie, wie die veränderte politische Lage sich auf die einheimischen Ehefrauen und den Kindern aus diesen Ehen ausgewirkt hat. Obwohl Ehen für Soldaten bis 197 n. Chr. verboten waren, wurden sie dennoch toleriert, da sie für die Kolonisierung und später die Romanisierung unabdingbar waren. 40% der Soldaten waren mit Frauen aus den Provinzen verheiratet, bei den Auxiliartruppen waren es sogar 60%. Dies zeigt die große Rolle der einheimischen Frauen bei der Romanisierung.
In seinem Vortrag „Virtus femiarum – Zur Einbindung von Frauen in das antike Kriegsgeschehen“ ging der Klassische Philologe Peter Emberger aus Salzburg auf berühmte Kämpferinnen ein, die in der antiken Literatur beschrieben werden. Auffallend ist, dass es sich dabei um Frauen aus fremden Völkern handelt, wie z.B. die assyrische Königin Semiramis, Tomyris, die Königin der Massageten, oder Artemisia, die Königin von Halikarnass. Das Klischee von der Frau, die vom Bad, wo sie sich gerade die Haare kämmt, direkt auf das Schlachtfeld eilt, kommt bei mehreren berühmten Kämpferinnen vor und wird bei jedem weiteren Autor weiter aufgebauscht. Oft werden diese Frauen als unerschrockene Kämpferinnen und mutiger als die Männer dargestellt. So steht der Topos der kämpfenden Frau für die Verweiblichung von fremden Völkern.
Die Althistorikerin Dorit Engster aus Göttingen gab in ihrem Vortrag „Das römische Frauenideal und die Vorstellung von weiblichen Kämpferinnen“ einen Überblick über die antike Sichtweise auf Frauen und Militär. Frauen im Tross der Heere werden in der römischen Literatur nicht erwähnt, können aber durch archäologische Funde nachgewiesen werden. Die germanischen Frauen werden als mutig, aber auch als blutrünstig beschrieben und somit als ein größtmöglicher Gegensatz zu römischen Frauen charakterisiert. Die positive Beschreibung von weiblichen Anführern bei barbarischen Stämmen, wie z.B. die palmyrenische Königin Zenobia oder die britannische Königin Boudicca, dienen dazu, die jeweiligen römischen Kaiser in einem umso schlechteren Licht erscheinen zu lassen.
Die zwei Tage brachten Vorträge aus verschiedenen archäologischen und altertumskundlichen Fächern zusammen, ein Charakteristikum der AG Geschlechterforschung, die die interdisziplinäre Forschung fördern möchte. Dabei wurde deutlich, dass Wirtschaft und Militär, geschlechterspezifisch untersucht, gar nicht so weit auseinander liegen: Die hellenistischen Königinnen hatte militärische Macht, da sie wirtschaftlich unabhängig waren, die Frauen in den römischen Provinzen waren für den größten Teil des Wirtschaftens zuständig, wenn die Männer zum Militär eingezogen wurden, und wenn römische Soldaten in den Provinzen Land erwerben wollten, so waren sie auf ihre einheimischen Ehefrauen dabei angewiesen.
Die Vorträge sollen wieder in der Reihe „Frauen – Forschung – Archäologie“ publiziert werden. Die nächste Sitzung der AG Geschlechterforschung wird zusammen mit der AG Eisenzeit 2011 auf dem Archäologiekongress in Bremen stattfinden.
Ulrike Rambuscheck
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