Erster gesamtdeutscher feministischer Berufsorientierungsworkshop „Frauen in der Mittelalterarchäologie“ in Bamberg am 12.07.2024

Ein Bericht und eini­ge per­sön­li­che Gedan­ken dazu von Michae­la Helm­brecht

Autorin: Cla­ra Schal­ler, Datum: 26.01.2024
Autorin: Cla­ra Schal­ler, Datum: 26.01.2024

26.08.2024

Wel­che Wege füh­ren in das Berufs­feld (Mittelalter-)Archäologie? Wel­che Per­spek­ti­ven bie­ten sich in den archäo­lo­gi­schen Wis­sen­schaf­ten? Wel­chen Hin­der­nis­se und Her­aus­for­de­run­gen sehen sich ins­be­son­de­re Frau­en gegen­über, die eine Kar­rie­re in der Archäo­lo­gie anstre­ben? Die­se Fra­gen steck­ten den the­ma­ti­schen Rah­men des ers­ten gesamt­deut­schen femi­nis­ti­schen Berufs­ori­en­tie­rungs­work­shops ab, der am 12.07.2024 in Bam­berg ver­an­stal­tet wur­de (sie­he Ankün­di­gung https://femarc.de/blog/2024_femberufsorientierung_mittelalterarchaeologie/).
Die Initia­to­rin und Orga­ni­sa­to­rin des Work­shops, Vivia­ne Diede­rich, ist am Insti­tut für Archäo­lo­gie des Mit­tel­al­ters und der Neu­zeit tätig. Sie konn­te fünf archäo­lo­gisch täti­ge Frau­en als Role­mo­dels gewin­nen, die in ein­stün­di­gen Vor­trä­gen ihre Lebens­läu­fe, ihr Stu­di­um, die beruf­li­chen Ent­schei­dun­gen, Kar­rie­re­punk­te und auch per­sön­li­che Erleb­nis­se dar­leg­ten. Pro­fes­sor Rai­ner Schreg über­brach­te ein­lei­tend ein Gruß­wort in Ver­tre­tung der Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten. Michae­la Helm­brecht sprach ein Gruß­wort im Namen von Fem­Arc; das Netz­werk hat die Ver­an­stal­tung auch finan­zi­ell unter­stützt.
Durch den Blick auf die­se sehr unter­schied­li­chen Lebens­läu­fe wur­de deut­lich: Eine wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re in der Archäo­lo­gie ist nicht so ein­fach plan­bar. Sie hängt neben der Begeis­te­rung fürs Fach und etwas Glück vor allem vom Mut ab, Risi­ken ein­zu­ge­hen, sei­ne eige­ne Kom­fort­zo­ne zu ver­las­sen und ggf. auch orts­fle­xi­bel zu sein. Eini­ge Role­mo­dels berich­te­ten auch sehr offen von Kri­sen und Erleb­nis­sen des Schei­terns – wor­aus sich aber auch neue Chan­cen erge­ben kön­nen.
In einem spe­zi­el­len Dis­kus­si­ons­for­mat – einem wis­sen­schaft­li­chen Salon – konn­ten die Teil­neh­me­rin­nen sich anschlie­ßend mit den Gast­red­ne­rin­nen aus­tau­schen und Ideen ent­wi­ckeln, wie der viel­be­schwo­re­nen Leaky Pipe­line und beson­de­ren Ansprü­chen an Frau­en (etwa nach unbe­zahl­ter Care-Arbeit inner­halb und außer­halb des aka­de­mi­schen Umfelds) ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den kann.
Ein all­ge­mein men­schen- und diver­si­täts­freund­li­ches Umfeld, das ins­be­son­de­re ein Pri­vat­le­ben neben der Wis­sen­schaft respek­tiert, ist ein wesent­li­cher Fak­tor, um Frau­en in der Wis­sen­schaft zu hal­ten und zu för­dern. Frau­en erle­ben auf­grund ihres Geschlechts in den archäo­lo­gi­schen Wis­sen­schaf­ten nur noch wenig Dis­kri­mi­nie­rung, so die per­sön­li­chen Erfah­run­gen der Teil­neh­me­rin­nen. Dage­gen konn­ten vor allem die älte­ren Role­mo­dels von Dis­kri­mi­nie­rung und fol­gen­schwe­ren Erleb­nis­sen berich­ten, die sich auch auf ihre beruf­li­che Lauf­bahn aus­wirk­ten. Hier zeig­te sich deut­lich, wie sehr sich die Gesell­schaft und das Berufs­um­feld Archäo­lo­gie gewan­delt haben.
Infol­ge­des­sen fie­len die Tipps und Hin­wei­se, die die Role­mo­dels den Teil­neh­me­rin­nen geben konn­ten, nicht beson­ders geschlechts­spe­zi­fisch aus. Pro­ak­tiv zu sein, sich zu enga­gie­ren und zu netz­wer­ken; ver­schie­de­ne Tätig­keits­fel­der in Prak­ti­ka oder Jobs aus­zu­pro­bie­ren und sich nicht zu früh fest­zu­le­gen; sich eine*n Mentor*in zu suchen – die­se Maß­nah­men sind auch für männ­li­che Stu­die­ren­de nicht ver­kehrt.
⁠Die Hür­den auf dem Weg in die archäo­lo­gi­sche beruf­li­che Kar­rie­re sind für Frau­en im Jahr 2024 zum aller­größ­ten Teil nicht ande­re als für Män­ner. In den per­sön­li­chen Gesprä­chen im wis­sen­schaft­li­chen Salon wur­de deut­lich, dass die Unsi­cher­heit einer aka­de­mi­schen Kar­rie­re und die man­geln­de Plan­bar­keit vie­le Stu­die­ren­de abschreckt. Ein unbe­fris­te­ter Job erst mit 40 oder gar 50? Das ist für Men­schen, die sich Fami­lie und Kin­der wün­schen, kei­ne ver­lo­cken­de Aus­sicht.
Wir leben in einer Zeit des Fach­kräf­te­man­gels, der durch­aus auch das Berufs­feld Archäo­lo­gie bereits erfasst hat – hier­von konn­te Rai­ner Schreg ein­drück­lich berich­ten: Die Stu­die­ren­den- und Absolvent*innenzahlen sin­ken so stark, dass für vie­le (befris­te­te) Stel­len in der Wis­sen­schaft kaum mehr geeig­ne­te Kandidat*innen gefun­den wer­den kön­nen. Stu­die­ren­de und Berufs­an­fän­ger wer­den umwor­ben; sie sind eine kost­ba­re Res­sour­ce.
Dem­ge­gen­über steht aber die im Fach nach wie vor weit ver­brei­te­te Erwar­tungs­hal­tung, dass ange­hen­de Archäolog*innen über­durch­schnitt­li­ches Enga­ge­ment zei­gen sol­len, dass sie das Fach schließ­lich aus Lei­den­schaft stu­die­ren und nicht des Gel­des bzw. der Sicher­heit wegen, dass sie „etwas leis­ten sol­len“ und dafür per­sön­li­che Inter­es­sen und das Pri­vat­le­ben auch ein­mal zurück­stel­len müs­sen. Dass die­se for­dern­de Hal­tung Men­schen abschreckt und aus­schließt, deren finan­zi­el­le oder per­sön­li­che Situa­ti­on die­ses Enga­ge­ment nicht erlaubt, spricht sich erst lang­sam her­um.
So muss ich als eine der Vor­tra­gen­den im Nach­hin­ein selbst­kri­tisch anmer­ken, dass ich befürch­te, dass wir Role­mo­dels die Stu­die­ren­den viel­leicht eher abge­schreckt als moti­viert haben. Die vor­ge­stell­ten Lebens­läu­fe waren sehr beein­dru­ckend, sie zeu­gen von außer­ge­wöhn­li­cher Leis­tungs­be­reit­schaft und gro­ßem Ein­satz. Sie wären aller­dings heu­te – unter gewan­del­ten Bedin­gun­gen (Stich­wort Bolo­gna-Reform und ihre Fol­gen) – so nicht mehr repro­du­zier­bar.
Die Schei­de­li­nie zwi­schen Erfolg und Schei­tern ver­läuft im Jahr 2024 also nicht zwi­schen Män­nern und Frau­en, son­dern zwi­schen Men­schen, die sich über­durch­schnitt­li­ches Enga­ge­ment und Fle­xi­bi­li­tät leis­ten kön­nen, und denen, die in die­ser Hin­sicht ein­ge­schränkt sind, sei es auf­grund von Care-Arbeit, auf­grund der finan­zi­el­len Situa­ti­on, auf­grund von gesund­heit­li­chen Pro­ble­men etc. Die­ses Pro­blem­feld wur­de im Work­shop nur rand­lich auf­ge­grif­fen; der Fokus lag deut­lich auf dem Gewinn, den die Teilnehmer*innen aus den Berich­ten der Role­mo­dels zie­hen konn­ten, und dem per­sön­li­chen Aus­tausch im Wis­sen­schaft­li­chen Salon. Wir waren uns einig, dass die­ses For­mat wie­der­holt wer­den soll­te und Stu­die­ren­den immer wie­der ange­bo­ten wer­den soll­te. Ein expli­zit femi­nis­ti­scher Fokus ist dafür aber nicht unbe­dingt nötig.

Michae­la Helm­brecht

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