Von Bochum nach Salamanca: Geschlechterforschung in der paläolithischen Kunst – Erkenntnisse und Herausforderungen auf zwei Tagungen

Marie­lui­se Hahn, 27.3.2025

Geschlecht ist kein iso­lier­tes For­schungs­ge­biet, son­dern wirkt in alle Berei­che hin­ein. Ein grund­le­gen­des Ver­ständ­nis davon wäre für alle For­schen­den von Nut­zen. Daher ist es ent­schei­dend, dass geschlecht­li­che The­men nicht nur in Krei­sen von Gleich­ge­sinn­ten dis­ku­tiert wer­den, son­dern dass die gesam­te Archäo­lo­gie dazu ange­regt wird, sich mit Geschlech­ter­theo­rie aus­ein­an­der­zu­set­zen. Da Tagun­gen jedoch oft ein unter­schied­li­ches Publi­kum und The­ma anspre­chen, ist es sinn­voll, die Inhal­te ent­spre­chend der Ziel­grup­pe anzu­pas­sen – was jedoch häu­fig mit Her­aus­for­de­run­gen ver­bun­den ist.

In die­sem Bei­trag wer­de ich über mei­ne Teil­nah­me und Prä­sen­ta­ti­on mei­ner Mas­ter­ar­beit zum The­ma „Iden­ti­fi­ca­ti­on of Male Sex Cha­rac­te­ristics in the Paleo­li­thic“ (Hahn 2024) auf zwei ver­schie­de­nen Tagun­gen berich­ten. Zum einen in der Ses­si­on der AG Geschlech­ter­for­schung auf der NWVA-Ver­bands­ta­gung in Bochum 2024 (Link zum Pro­gramm) und zum ande­ren auf dem „VIII Inter­na­tio­nal Con­gress – The Art of Pre­his­to­ric Socie­ties” in Sala­man­ca 2024.

Mei­ne Mas­ter­ar­beit befasst sich mit Dar­stel­lun­gen männ­li­cher Geschlechts­merk­ma­le im Paläo­li­thi­kum, die in Aus­wahl und Anzahl vari­ie­ren (z.B. Angu­lo et al. 2005; Duhard 1996; Bour­ril­lon 2009) und weni­ger beach­tet wur­den als weib­li­che Dar­stel­lun­gen. Ziel war es, einen umfas­sen­den Daten­satz zu erstel­len und eine Metho­dik zur Kate­go­ri­sie­rung der Geschlechts­merk­ma­le zu ent­wi­ckeln, wobei der Fokus auf der Wahr­schein­lich­keit lag, dass es sich um Dar­stel­lun­gen männ­li­cher Merk­ma­le han­delt. Mit mehr als 250 iden­ti­fi­zier­ten Dar­stel­lun­gen zeigt sich, dass die Zahl höher sein könn­te als bis­her ange­nom­men. Die Metho­dik erlaubt eine dif­fe­ren­zier­te Klas­si­fi­ka­ti­on, die Unsi­cher­hei­ten und Mehr­deu­tig­kei­ten bei der Iden­ti­fi­ka­ti­on berück­sich­tigt und zulässt.

Die Ses­si­on der AG Geschlech­ter­for­schung in Bochum kon­zen­trier­te sich auf das The­ma „Geschlech­ter und ihre Kör­per“, wobei vor allem Archäolog*innen, die sich mit Geschlech­ter­ar­chäo­lo­gie befas­sen, Vor­trä­ge hiel­ten. Im Gegen­satz dazu war der Kon­gress in Sala­man­ca auf die Kunst des Paläo­li­thi­kums und Meso­li­thi­kums aus­ge­rich­tet, was inter­na­tio­na­le Archäo­lo­gin­nen anzog, die sich mit prä­his­to­ri­scher Kunst beschäf­tig­ten. Daher habe ich in bei­den Tagun­gen unter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen ver­folgt. In Bochum habe ich ein gewis­sen Grund­wis­sen vor­aus­ge­setzt und so den Schwer­punkt auf mei­ne theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen gelegt und auch das The­ma der mehr­ge­schlecht­li­chen Dar­stel­lun­gen, mit dem ich mich bereits in mei­ner Bache­lor­ar­beit beschäf­tigt habe (Floss et al. 2021; Hahn 2020), auf­ge­grif­fen.
Anders war es in Sala­man­ca, wo es mir dar­um ging, die Bedeu­tung der Geschlech­ter­theo­rie für die Erfor­schung paläo­li­thi­scher Kunst zu ver­deut­li­chen. Hier konn­te ich aller­dings weni­ger auf die Theo­rie ein­ge­hen, son­dern habe eher grund­sätz­li­che Über­le­gun­gen zu Geschlech­tern und Kör­pern in der Kunst ange­stellt und auf mei­ne Metho­dik hin­ge­wie­sen.
Die Teil­nah­me an zwei Tagun­gen, die sich in ihrem the­ma­ti­schen Fokus deut­lich unter­schie­den, brach­te eini­ge Vor­tei­le mit sich. Einer­seits die­nen Tagun­gen der Prä­sen­ta­ti­on von For­schungs­er­geb­nis­sen, ande­rer­seits ermög­li­chen sie auch den Emp­fang von Kri­tik und somit die Refle­xi­on der eige­nen Ansät­ze. Die Teil­nah­me in Sala­man­ca ermög­lich­te es, einer­seits die eige­ne Arbeit im Bereich der paläo­li­thi­schen Kunst zu eva­lu­ie­ren, ande­rer­seits das The­ma der Geschlech­ter­ar­chäo­lo­gie und ‑theo­rie zu ver­brei­ten. Der Vor­trag in Bochum ermög­lich­te es mir, mei­ne Ansät­ze in Bezug auf Geschlecht durch die ver­sier­ten Teilnehmer*innen prü­fen zu las­sen und gleich­zei­tig die paläo­li­thi­sche Kunst für ein brei­te­res Publi­kum zu the­ma­ti­sie­ren.
Der Vor­trag erhielt auf bei­den Tagun­gen posi­ti­ve Reso­nanz und führ­te zu wei­ter­ge­hen­den Ver­net­zungs­mög­lich­kei­ten.

Lite­ra­tur­an­ga­ben:
Angu­lo, Javier, & Gar­cía, Mar­co 2005. Sexo en pie­dra sexu­al­i­dad, repro­duc­ción y ero­tis­mo en épo­ca paleolí­ti­ca. Madrid: Luzán.
Bour­ril­lon, Rapha­el­le 2009. Les repré­sen­ta­ti­ons humain­es sexuées dans l’art du Palé­o­li­thi­que supé­ri­eur euro­pé­en: diver­si­té, rémi­nis­cen­ces et per­ma­nen­ces. Doc­to­ral The­sis. L’Université de Tou­lou­se.
Duhard, Jean-Pierre 1996. Réa­lis­me de l’image mas­cu­li­ne palé­o­li­thi­que. Gre­no­ble: J. Mil­lon.
Floss, Harald, Fröh­le, Simon, Hahn, Marie­lui­se, & Wet­tengl, Ste­fan 2021. A Figu­ri­ne of the Gön­ners­dorf Type from the Mag­da­le­ni­an Open-air Site Wald­stet­ten-Schlatt and Bi-gen­de­red Repre­sen­ta­ti­ons in Palaeo­li­thic Art. In S. Gaud­zinski-Wind­heu­ser & O. Jöris (eds) The Beef behind all Pos­si­ble Pas­ts, 383–394.
Hahn, Marie­lui­se 2020. Die „Venus“ von Wald­stet­ten und der Aspekt der Mehr­ge­schlecht­lich­keit in der paläo­li­thi­schen Kunst (Unpu­blished Bachelor’s the­sis). Uni­ver­si­ty of Tue­bin­gen.
Hahn, Marie­lui­se 2024. Iden­ti­fi­ca­ti­on of Male Sex Cha­rac­te­ristics in the Paleo­li­thic (Unpu­blished Master‘s the­sis). Uni­ver­si­ty of Tue­bin­gen. 

Kon­fe­renz in Sala­man­ca, Vor­trag Marie­lui­se Hahn

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AG Geschlech­ter­for­schung in Bochum, Online-Vor­trag Marie­lui­se Hahn

Ein­blick in die Exkur­si­on der Sala­man­ca Tagung zu den Fels­gra­vu­ren des Sie­ga Ver­de, Spa­ni­en.

 

 

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