Lesefund: Wie sexistisch darf’s denn sein?

Autorin: Ulri­ke Ram­bu­scheck, Datum: 25.09.2019

 

„Was Sie schon immer über Archäo­lo­gen wis­sen woll­ten. India­na Jones von Beruf“ ist von dem Ur- und Früh­ge­schicht­ler Hau­ke Kenz­ler geschrie­ben und 2018 im BoD – Books on Demand Ver­lag erschie­nen. Vie­le Kli­schees, die über Archäo­lo­gie sowie Archäo­lo­gen und Archäo­lo­gin­nen in der brei­ten Öffent­lich­keit kur­sie­ren und die wohl alle ken­nen, die die­ses Fach stu­diert haben, wer­den in einem locke­ren und wit­zi­gen Stil beschrie­ben. Beim Kapi­tel „Deut­sche Archäo­lo­gin­nen“ wird es aller­dings rich­tig fins­ter, sprich sexis­tisch, auch wenn der Autor ein­lei­tend behaup­tet, er sei gar nicht frau­en­feind­lich (S. 101 f.: „… dies in kei­ner Wei­se als Sexis­mus aus­zu­le­gen …“).

Sät­ze wie: „Im Aus­land ern­ten deut­sche Archäo­lo­gin­nen […] regel­mä­ßig beson­de­res Auf­se­hen. Ich glau­be, dass man in vie­len Län­dern Angst vor Ihnen (sic!) hat. Dazu muss man wis­sen, dass die durch­schnitt­li­che Archäo­lo­gin, und an die­ser Stel­le muss ich mei­nen Geschlechts­ge­nos­sen lei­der jeg­li­che Illu­sio­nen neh­men, nicht wie Lara Croft oder Syd­ney Fox aus­sieht. Bes­ten­falls ähnelt sie Chris­ti­ne Theis (sic!), meis­tens jedoch Cin­dy aus Mar­zahn, in der gemüt­li­chen Vari­an­te Heinz Erhardt“ (S. 102) spre­chen eine ande­re Spra­che. (Die in Medi­zin pro­mo­vier­te Chris­ti­ne Theiss, ver­hei­ra­tet mit dem CSU-Poli­ti­ker Hans Theiss, ist von 2007 bis 2013 Pro­fi-Welt­meis­te­rin im Voll­kon­takt-Kick­bo­xen gewe­sen. 2014 war sie das Cover-Girl der Okto­ber-Aus­ga­be des Play­boy. Im Pri­vat­fern­se­hen hat sie als Mode­ra­to­rin gear­bei­tet [Wiki­pe­dia].)

In den nächs­ten Absät­zen wird deut­schen Archäo­lo­gin­nen unter­stellt, sie wür­den durch „einen mili­tä­ri­schen Kom­man­do­ton beson­ders hervor[stechen], den bereits Stu­den­tin­nen ab dem drit­ten Semes­ter voll­kom­men ver­in­ner­licht zu haben schei­nen“ (S. 102). Außer­dem wür­den sie „noch vier voll­ge­füll­te 10 Liter-Eimer (sic!) gleich­zei­tig [tra­gen], wenn jeder nor­mal­sterb­li­che Mann bereits wei­nend im Pla­n­um liegt“ (S. 103). Ganz kuri­os wird es bei die­ser Behaup­tung: „Dazu passt, dass kaum eine Archäo­lo­gin Vege­ta­rie­rin ist. Im Gegen­teil: Nur in die­sem Fach trifft man jun­ge Frau­en, die sich rein fleisch­lich ernäh­ren und auf Gemü­se ganz ver­zich­tet haben“ (S. 103).

Und auch im nächs­ten Kapi­tel „Mit­ar­bei­ter­füh­rung“ geht es erst­mal mun­ter wei­ter mit der Beschrei­bung von Sexis­mus am Arbeits­platz, was eben­falls wit­zig sein soll, z.B. mit der Beschrei­bung von Rohr- und Lat­ten­wit­zen. Lat­ten­wit­ze wür­den nie­mals lang­wei­lig wer­den, denn: „Schließ­lich muss bei der Ver­mes­sung ja oft genug die Lat­te gehal­ten wer­den, wenn Sie wis­sen (sic!) was ich mei­ne, haha­ha …“ (S. 104).

Setzt der Autor bei den obe­ren Ver­un­glimp­fun­gen von Frau­en auf das Ste­reo­typ der angeb­li­chen Ver­männ­li­chung von Frau­en, die in Män­ner­do­mä­nen ein­drin­gen, so benutzt er bei einem wei­te­ren The­ma ein ande­res Prin­zip, und zwar bei der Beschrei­bung der Stra­te­gie von Archäo­lo­gin­nen auf Gra­bun­gen: Ent­we­der ver­su­chen sie sich durch kräf­ti­ge Stim­men durch­zu­set­zen oder sie spie­len die ‚Weib­lich­keits­kar­te‘ aus und set­zen eine hohe Stim­me ein. Bei­des wird ihnen in den Augen des Autors zum Ver­häng­nis (S. 103). Ein typi­scher Fall von Opfer-Täter-Umkeh­rung liegt hier vor: Egal wie sich Frau­en ver­hal­ten, es ist immer ver­kehrt und ihre eige­ne Schuld.

All die­se Behaup­tun­gen sind nicht mit ‚Wit­zig­keit‘ zu recht­fer­ti­gen, son­dern gren­zen schon an Ver­leum­dung. Dass die­ses schwer­wie­gen­de Man­ko in einer Rezen­si­on für die Archäo­lo­gi­schen Infor­ma­tio­nen 42 über­haupt nicht ange­spro­chen wird (Ear­ly View 23.08.2019, https://dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf_Monamy.pdf [Zugriff: 25.09.2019]), bleibt schlei­er­haft. Wie kann heut­zu­ta­ge so über Frau­en geschrie­ben wer­den und nie­mand merkt es? Die #metoo-Debat­te scheint hier nicht ange­kom­men zu sein. Trau­ri­ge Archäo­lo­gie …

 

Hau­ke Kenz­ler, Was Sie schon immer über Archäo­lo­gen wis­sen woll­ten. India­na Jones von Beruf. BoD – Books on Demand, Nor­der­stedt 2018.

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