Nachruf Privatdozentin Dr. Linda R. Owen, 31.1.1952 – 26.2.2021
Autorinnen: Gisela Schulte-Dornberg und Sibylle Kästner, Datum: 23.04.2021
Am 26.2.2021 ist Linda R. Owen an Covid-19 verstorben. Wir sind bestürzt und traurig über ihren Tod und fühlen mit ihrer Familie.
Linda R. Owen war dem Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen (heute FemArc) von Beginn an verbunden. Sie hat in den Büchern des Netzwerks publiziert, Vorträge auf Tagungen gehalten und für den Rundbrief geschrieben. Sie war mit Frauen des Netzwerks in Kontakt und war immer wieder eine großartige Beraterin und ein Vorbild in fachlichen Fragen.
Linda R. Owens akademischer Werdegang begann in den USA, wo sie einen Bachelor in Anthropology an der State University of New York in Buffalo machte. Sie siedelte anschließend nach Deutschland über. Dort setzte sie ihre akademische Laufbahn am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen fort, wo sie auch promovierte und sich im Jahr 2004 habilitierte. Als Privatdozentin führte sie zahlreiche Seminare und Projekte vor allem am Tübinger Institut für Ur- und Frühgeschichte durch. Von 2009 bis 2010 vertrat sie den Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Speziell mit dem Jungpaläolithikum in Europa wie auch dem Paläolithikum in Nordamerika hat sie sich über Jahrzehnte befasst. Ihre Annäherung an diese Zeiten war eine besondere: Sie stellte Ressourcen in den Mittelpunkt ihrer Analysen, die in der Forschung sonst meist wenig Beachtung finden. Das Spektrum ihrer Themen umfasste Gebrauchsspurenanalyse an Artefakten, Fischfang, die Nutzung von Pflanzen und Kleinwild im Jungpaläolithikum und führte zu Untersuchungen zur Arbeitsteilung und Geschlechterrollen im Jungpaläolithikum, der Rolle von Kindern bis hin zur Situation von Archäologinnen heute. Linda R. Owens Habilitationsschrift, die 2005 unter dem Titel Distorting the Past: Gender and the Division of Labor in the European Upper Paleolithic erschien, war ihrer Zeit deutlich voraus. Sie ist auch jetzt, 16 Jahre später, als aktueller Beitrag zum Thema Subsistenz im Paläolithikum anzusehen. Ihre Annäherung an die Themen war behutsam und gründlich und zeichnete sich durch extrem gute Recherchen aus.
Linda R. Owens Methode war die ethnoarchäologische Analyse. Auf Grundlage des archäologischen Materials und enormer und tiefgreifender Kenntnis der ethnohistorischen und ethnologischen Fachliteratur Nordamerikas konnte sie durch Vergleiche und Analogien neue Erkenntnisse über das Leben von JägerInnen/SammlerInnen im Jungpaläolithikum Südwestdeutschlands gewinnen. Dabei arbeitete sie auch experimentell und praktisch und versuchte damit, die Funktion von Werkzeugen nachzuvollziehen. Sie stellte zum Beispiel Nadeln aus Knochen und Geweih her, experimentierte mit Grabwerkzeugen, fischte und war selber Jägerin.
Darüber hinaus erstellte Linda R. Owen drei mehrsprachige archäologische Wörterbücher, die eine wertvolle Ressource für die archäologische Fachwelt sind. Übersetzungen archäologischer Fachtexte und Rezensionen ergänzen dieses weite Spektrum ihrer Tätigkeiten.
In den letzten Jahren ihrer Forschungstätigkeit galt ihr besonderes Interesse der Rolle von Kindern in JägerInnen/SammlerInnen-Gemeinschaften. Gemeinsam mit Studierenden der Universität Erlangen entwickelte sie eine Wanderausstellung „Steinzeitkinder – Kleine Jäger und Sammler“, die an verschiedenen Stationen gezeigt wurde.
Für die archäologische Geschlechterforschung speziell im Jungpaläolithikum hatte Linda R. Owen eine wegweisende Rolle. Sie kann zu Recht als Pionierin auf dem Gebiet bezeichnet werden. Wir haben viel von ihr gelernt. Ihr Tod ist ein unermesslicher Verlust, sowohl menschlich als auch für die archäologische Geschlechterforschung.
Linda Owen auf einer Tagung in Tübingen 1994.
Im April 2021
Gisela Schulte-Dornberg, Köln
Sibylle Kästner, Maastricht
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