Nonnen als Buchmalerinnen im Mittelalter

Autorin: Ulri­ke Ram­bu­scheck, Datum: 30.01.2019

 

In Frau­en­klös­tern des Mit­tel­al­ters sind von den dort leben­den Non­nen vie­le Hand­wer­ke aus­ge­führt wor­den, unter ande­rem auch die Buch­her­stel­lung. Die meis­ten Buch­schrei­be­rin­nen und ‑illus­tra­to­rin­nen sind auf­grund der Tat­sa­che, dass im Mit­tel­al­ter sel­ten Wer­ke signiert wor­den sind, unbe­kannt (dies gilt auch für künst­le­risch täti­ge Mön­che). Jetzt konn­te auf natur­wis­sen­schaft­li­chem Weg wahr­schein­lich gemacht wer­den, dass eine Non­ne als Buch­ma­le­rin tätig war, und zwar anhand von blau­em Farb­stoff im Zahn­stein einer auf einem Klos­ter­fried­hof begra­be­nen Frau. Ver­öf­fent­licht ist die­ses Ergeb­nis in der Fach­zeit­schrift Sci­ence Advan­ces (Aus­ga­be 5,1 vom 09.01.2019). Die Autorin­nen und Autoren des Arti­kels bezie­hen sich auf eine Stu­die, die Spu­ren von Ultra­ma­rin­blau, das aus Lapis­la­zu­li gewon­nen wird, im Zahn­stein einer auf dem Fried­hof des Klos­ters Dal­heim in Ost­west­fa­len begra­be­nen Frau nach­ge­wie­sen hat­te. Das Klos­ter exis­tier­te vom 9. bis zum 14. Jahr­hun­dert. Die Lebens­zeit der bestat­te­ten Frau wur­de mit­hil­fe der Radio­kar­bon­me­tho­de zwi­schen 997 und 1162 fest­ge­stellt. Als die wahr­schein­lichs­te Erklä­rung, wie der Farb­stoff in den Zahn­stein gelangt ist, wird ange­nom­men, dass die­se Frau als Buch­il­lus­tra­to­rin gear­bei­tet hat. Beim Befeuch­ten des Pin­sels mit dem Mund könn­te der kost­ba­re Farb­stoff so im Zahn­stein abge­la­gert wor­den sein.

Auch der DGUF-News­let­ter berich­tet in sei­ner Aus­ga­be vom 22.01.2019 unter Punkt 3.7 über den Fach­ar­ti­kel sowie die Medi­en­re­so­nanz dar­auf (Link sie­he unten). Sein Fazit dazu bedient die alten Kli­schees: „Mit­tel­al­ter­li­che Buch­ma­le­rei – den­ken wir nur an Umber­to Ecos ‚Name der Rose‘ – wird nor­ma­ler­wei­se mit schrei­ben­den Mön­chen ver­bun­den. Die Dal­hei­mer Non­ne zeigt nun auf, dass auch Frau­en als Schrei­be­rin­nen tätig waren.“

Inter­es­sant an der Dis­kus­si­on ist, dass über­haupt ange­zwei­felt wird, ob in Frau­en­klös­tern, in denen es eine Schreib­werk­statt gab, Non­nen in der Buch­her­stel­lung gear­bei­tet haben. Für Mön­che aus Män­ner­klös­tern mit Schreib­werk­statt ist eine sol­che Dis­kus­si­on unbe­kannt. Dort muss nicht nach­ge­wie­sen wer­den, ob es wahr­schein­lich ist, dass Mön­che Buch­schrei­ber und ‑illus­tra­to­ren waren, das wird vor­aus­ge­setzt. Bei Non­nen dage­gen muss detail­liert der Beweis ihrer Tätig­keit erbracht wer­den. Und wenn die­ser Beweis vor­liegt, wird es als gro­ße Sen­sa­ti­on und neue Erkennt­nis dar­ge­stellt, nicht nur von Medi­en für ein gro­ßes Publi­kum.

Die­ser Fall zeigt, wie sehr unbe­wuss­te geschlech­ter­be­zo­ge­ne Vor­ur­tei­le Aus­wir­kun­gen auf den gesell­schaft­li­chen Blick auf die Ver­gan­gen­heit und auf den Umgang mit die­ser haben. Es wäre erstre­bens­wert, sich die­ser Vor­ur­tei­le bewusst zu wer­den und sich damit aktiv aus­ein­an­der­zu­set­zen.

 

Der Sci­ence-Advan­ces-Arti­kel:

Ani­ta Radi­ni, Moni­ca Tromp, Ali­son Beach, E. Tong, C. Spel­ler, M. McCor­mick, J. V. Dud­ge­on (2019), Medieval women’s ear­ly invol­vement in manu­script pro­duc­tion sug­gested by lapis lazu­li iden­ti­fi­ca­ti­on in den­tal cal­cu­lus. Sci­ence Advan­ces 5(1), eaau7126. DOI: 10.1126/sciadv.aau7126 (9.1.2019).

http://advances.sciencemag.org/content/5/1/eaau7126

 

Lite­ra­tur aus dem Sci­ence-Advan­ces-Arti­kel:

Ali­son I. Beach, Women as Scri­bes: Book Pro­duc­tion and Monastic Reform in Twelfth-Cen­tu­ry Bava­ria (Cam­bridge 2004).

Cyn­thia J. Cyrus, The Scri­bes for Women’s Con­vents in Late Medieval Ger­ma­ny (Toron­to 2009).

Feli­ce Lifs­hitz, Reli­gious Women in Ear­ly Caro­lin­gi­an Fran­cia. A Stu­dy of Manu­script Trans­mis­si­on and Monastic Cul­tu­re (Oxford 2014).

 

Außer­dem:

Jef­frey F. Ham­bur­ger, Caro­la Jäg­gi, Sus­an Mar­ti, Hed­wig Röckel­ein (Hrsg.), Frau­en – Klos­ter – Kunst. Neue For­schun­gen zur Kul­tur­ge­schich­te des Mit­tel­al­ters (Bre­pols 2007).

 

Der DGUF-News­let­ter vom 22.01.2019 als PDF:

http://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/Newsletter-Archiv/DGUF-Dok_76_DGUF-Newsletter_2019-01–22.pdf

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