Sexualisiertes Fehlverhalten auf Grabungen und im akademischen Alltag – aus Studierendensicht
Autorin: Mia Sophie Molitor, Datum: 11.06.2021
Sexualisiertes Fehlverhalten ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Thema geworden: Debatten über #aufschrei und #MeToo förderten Diskussionen. Leider wird diese Thematik in der Archäologie kaum behandelt, obwohl gerade hier ein besonderer Umgang gefragt ist. Auf Ausgrabungen, Surveys und anderen Projekten arbeitet man eng zusammen und verbringt abends auch seine Freizeit zusammen. Hierarchien zwischen den Teilnehmenden werden aufgelockert: Die Schnittleitung sitzt neben der Grabungsleitung und Studierenden an einem Tisch beim Abendessen. Dies ist auch schön und soll auch so bleiben!
Was passiert aber bei sexistischen Kommentaren oder gar tätlichen Übergriffen, die in einem lockeren Kontext entstehen können? Viele Menschen trauen sich nicht ihren Vorgesetzten zu sagen, dass sie ihre Grenzen überschreiten. Die Angst, nicht wieder auf diese Grabung fahren zu dürfen oder im kleinen Kreis der Archäologie einen schlechten Ruf zu erlangen, schwingt dabei mit; aber auch die Befürchtung von der Gruppe zu hören „Stell dich nicht so an“, „Das war doch nur ein Scherz“ oder „Lässt du wieder die Emanze raushängen?“, wenn man feststellt, dass ein Kommentar unpassend war. Man solle es sich nicht mit den Menschen im Grabungsort ‚verscherzen‘, wird immer wieder festgestellt – ohne vor Ort könne man nicht graben. Bei sexualisierten Kommentaren und Taten von Arbeitenden aus der Gegend ist man dann fast machtlos.
Ähnliches passiert aber auch im akademischen Alltag. Kleine familiäre Institute lassen hierarchische Strukturen schnell verschwimmen: Traut man sich, sich zu wehren, wenn man Angst hat, dass die Hausarbeit schlecht benotet wird? Die Antwort ist leider meist „Nein“.
Im Rahmen der IFaTa (Internationale Fachschaftentagung) des DASV e.V. (Dachverband Archäologischer Studierenden Verbindungen) wurde vor einiger Zeit eine Arbeitsgruppe zu sexualisiertem Fehlverhalten auf Grabungen und im akademischen Alltag gegründet. Hier wurde sich zur Aufgabe gemacht, auf diese Problematik aufmerksam zu machen, Menschen dafür zu sensibilisieren und die Thematik zu enttabuisieren. Des Weiteren soll Betroffenen und Dritten Strategien zum Umgang in solchen Situationen geboten werden.
Dabei sind wir in der Vergangenheit auf einige Probleme gestoßen: Es wird abgestritten, dass es solche Probleme gibt, man habe das ja noch nie mitgekriegt. Man solle Beispiele nennen. Das ist aber nicht die Aufgabe dieser AG. Man kann nur sagen, wir haben viele Geschichten über verschiedene sexualisierte Übergriffe gehört: Von sexistischen Sprüchen über Handgreiflichkeiten bis hin zu Vergewaltigungen. Dabei ist jede Überschreitung der Grenzen einer Person relevant und sollte thematisiert werden. Und es ist nicht die Schuld des Opfers, wenn sich jemand falsch ihr/ihm gegenüber verhält.
Leider wurde dies behauptet: Wenn man sich auf einer Grabung unwohl fühle, solle man doch einfach woanders mitfahren. Täterschutz nennt sich das. Heute muss man um jeden Grabungsplatz kämpfen und man nimmt, was man kriegen kann. ‚Einfach nicht mitzufahren‘ ist da keine Alternative.
Zuletzt begannen einige Fachschaftsvertretungen Konzepte auszuarbeiten, die für die Thematik sensibilisieren und Hilfe bieten, wenn es zu solchen Situationen kommt. Diese werden auf die jeweilige Universität und Grabungs- bzw. Surveykampagnen zugeschnitten. Wichtig dabei scheinen Vertrauensperson, an die man sich wenden kann, wenn man betroffen ist, aber auch Workshops und andere Veranstaltungen, die auf diese Problematik aufmerksam machen.
Wir hoffen nun in der Zukunft, dass sich die Besprechung dieser Thematik verbreitet, man über Problemlösungen spricht und vielleicht mehr darüber nachdenkt, wie sich verhalten wird – ob z.B. ein sexistischer Kommentar nun wirklich nötig ist. Wir wünschen uns, dass an jeder Universität, auf jeder Kampagne und in anderen archäologischen Kontexten über die Problematik gesprochen und dann gehandelt wird.
Literaturverweis: H. Koch, Die AG „Sexualisiertes Fehlverhalten“ des DASV e.V. stellt sich vor. Blickpunkt Archäologie 3/2019, 2020, 217–218.
Kontakt zur AG Sexualisiertes Fehlverhalten auf Grabungen und im Akademischen Alltag: sfga@dasv-ev.org
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