Situation archäologisch arbeitender Frauen Mai 2020

Autorin: Fem­Arc-Redak­ti­on, Datum: 05.05.2020

 

Vor etwas mehr als 2 Mona­ten, Mit­te März 2020, wur­den in Deutsch­land im Zuge der Maß­nah­men, die zur Ver­lang­sa­mung der Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus Sars-CoV‑2 und der Krank­heit Covid-19 getrof­fen wur­den, umfang­rei­che Kon­takt­be­schrän­kun­gen ein­ge­führt. Es wur­den Kin­der­gär­ten, Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten geschlos­sen, Biblio­the­ken und Muse­en waren nicht mehr zugäng­lich, und es wur­de, wo mög­lich, Arbeit von zu Hau­se bzw. „home office“ emp­foh­len. Vie­le Berei­che des kul­tu­rel­len Lebens haben sich ins Vir­tu­el­le ver­la­gert – so auch z.B. Ange­bo­te von Muse­en und Biblio­the­ken. Uni­ver­si­tä­re Leh­re fin­det im aktu­el­len Som­mer­se­mes­ter v.a. im digi­ta­len Raum statt. Tagun­gen und Kon­fe­ren­zen wer­den abge­sagt oder eben­falls vir­tu­ell abge­hal­ten. Kurz­um, die Maß­nah­men zur Ver­lang­sa­mung der Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus Sars-CoV‑2 und der Krank­heit Covid-19 betref­fen zum einen vie­le Tätig­keits­be­rei­che von Archäolog*innen, zum ande­ren haben sich die Rah­men­be­din­gun­gen für archäo­lo­gi­sche Arbeit und der All­tag für die in der Archäo­lo­gie Täti­gen stark ver­än­dert.

Um die­se Ver­än­de­run­gen und die Aus­wir­kun­gen auf die Mit­frau­en zu doku­men­tie­ren, haben wir über die Fem­Arc-Mai­ling­lis­te dar­um gebe­ten, auf einer vir­tu­el­len Pinn­wand auf Flinga.fi Kom­men­ta­re zur aktu­el­len Situa­ti­on zu hin­ter­las­sen. Ins­ge­samt sind hier 24 Kom­men­ta­re ein­ge­gan­gen: Die­se kön­nen im ver­link­ten Screen­shot auf der Pinn­wand ein­ge­se­hen wer­den.

Zur bes­se­ren Les­bar­keit sind die­se im Fol­gen­den aber auch noch ein­mal abge­tippt:

„Mir fehlt der täg­li­che wiss. Aus­tausch über Lite­ra­tur, Vor­trä­ge, neue Fun­de – wis­sen­schaft­li­che Ein­sam­keit pur.“

„Einer­seits fehlt mir der per­sön­li­che wis­sen­schaft­li­che Aus­tausch (im Insti­tut, durch Kon­fe­ren­zen etc.), ande­rer­seits durch die vie­len digi­ta­len Ange­bo­te kann ich Vor­trä­ge wahr­neh­men, die ich sonst nie hören wür­de.“

„Das Team ist im Home­of­fice, immer nur eine*r im Büro: Ohne per­sön­li­che Begeg­nung ist Kom­mu­ni­ka­ti­on viel umständ­li­cher und anfäl­li­ger für Miss­ver­ständ­nis­se. Wir haben uns extra Aus­tausch­run­den ein­ge­baut, in denen auch Per­sön­li­ches erzählt wird. Trotz­dem ver­mis­sen wir den Kon­takt.“

„Mei­ne Kolleg*innen taten sich schwer mit vir­tu­el­len Dienst­be­spre­chun­gen – Fol­ge: abge­schnit­ten vom Pro­jekt­team, jede*r arbei­tet für sich, bekommt im Home-Office nichts mehr mit.“

„Beruf­li­che Kon­tak­te wur­den in den ers­ten Wochen per­sön­li­cher, wir haben am Tele­fon auch mal jen­seits des Dienst­li­chen gequatscht.“

„Home­Of­fice will gelernt sein – ohne ver­stärk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on geht das nicht. Und schon gar nicht mit unbe­treu­ten Kin­dern (unter 12 J.).“

„Home Office und Home Schoo­ling mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren ist gar nicht so leicht.“

„Wir schlep­pen uns durch die 10. Woche ohne Kita. Home­of­fice wür­de theo­re­tisch funk­tio­nie­ren, aber wenn die Kin­der zu Hau­se sind, kann immer nur ein Eltern­teil mehr oder weni­ger effek­tiv arbei­ten.“

„Jeden Tag für die Fami­lie eine Mahl­zeit kochen, ist frau gar nicht mehr gewöhnt – wie war das in der Vor­ge­schich­te? Ich kann sehr gut nach­voll­zie­hen, wenn es immer wie­der den glei­chen Ein­topf gab.“

„Auf vir­tu­el­le Muse­ums­füh­run­gen habe ich echt kein Bock momen­tan – gestress­ten Kolleg*innen bei der Arbeit zuse­hen? wo sind gera­de deren Kin­der?“

„Als Gra­bungs­lei­te­rin habe ich ein­fach wei­ter­ge­ar­bei­tet. Das größ­te Pro­blem ist der Trans­port der Gra­bungs­mann­schaft, da nun mehr Fahr­zeu­ge zur Ver­fü­gung gestellt wer­den müs­sen. Hin­sicht­lich mei­ner 10-jäh­ri­gen Toch­ter ist der Spa­gat zwi­schen Home­schoo­ling und Arbeit kräf­te­zeh­rend. Die man­geln­de Per­spek­ti­ve ist zer­mür­bend.“

„Mein befris­te­ter Voll­zeit­ver­trag bis Okt. wur­de auf mei­nen Vor­schlag hin hal­biert – so habe ich jetzt einen befris­ten Teil­zeit­ver­trag bis Feb. 2021. Weni­ger Geld, aber auch ein paar Mona­te weni­ger finan­zi­el­le Sor­gen. Die zuge­hö­ri­ge vor­zu­be­rei­ten­de Aus­stel­lung wur­de im März gleich nach dem Shut­down auf 2022 (statt 2021) ver­scho­ben. Klar arbei­te ich auch ganz­tags, wenn ein­zel­ne Fris­ten es erfor­dern.“

„Als Frei­be­ruf­le­rin fal­len mir Auf­trä­ge weg. Staat­li­che Hil­fen sind, trotz voll­mun­di­ger Ankün­di­gun­gen, schwer zu errei­chen. Das frus­triert, finan­zi­el­le Sor­gen blo­ckie­ren die jetzt eigent­lich beson­ders gefrag­te Krea­ti­vi­tät.“

„Als Frei­be­ruf­le­rin mit Man­gel an Auf­trä­gen habe ich jetzt end­lich Zeit, ehren­amt­li­che Pro­jek­te vor­an­zu­trei­ben, die lan­ge lie­gen­ge­blie­ben waren.“

„Die Biblio­theks­si­tua­ti­on ist t.w. sehr belas­tend (v.a. für die Ein­sicht von Mono­gra­phien), ande­rer­seits wur­den vie­le digi­ta­le Zugän­ge mög­lich gemacht. So konn­te ich in der Coro­na-Zeit ein­fa­cher an Arti­kel her­an­kom­men, die ich sonst in ver­schie­de­nen Biblio­the­ken hät­te müh­sam zusam­men­su­chen müs­sen.“

„Als Studentin/gerade am Ver­fas­sen mei­ner Abschluss­ar­beit fehlt mir beson­ders der unein­ge­schränk­te Biblio­theks­zu­gang und das infor­mel­le Netz­werk am Insti­tut. Die Zusam­men­ar­beit mit mei­nem Betreu­er funk­tio­niert gut, Pro­jek­te lau­fen auch wei­ter, die Mög­lich­keit im Som­mer archäo­lo­gisch zu gra­ben ist teil­wei­se weg­ge­fal­len, bzw ein­ge­schränkt mög­lich. Zum Glück ver­fü­ge ich über gute tech­ni­sche Aus­stat­tung (Monitor/Laptop), die das Arbei­ten erleich­tern.“

„Die Biblio­the­ken und Archi­ve wur­den von einem Tag auf den ande­ren geschlos­sen. Für mein Aus­stel­lungs­pro­jekt (geplan­te Fer­tig­stel­lung Ende Juni) bedeu­te­te das Ein­schrän­kung der Recher­che­mög­lich­kei­ten. Mein Arbeits­ver­trag kann wg. aus­lau­fen­der Dritt­mit­tel aber nicht ver­län­gert wer­den. Also wer­de ich im Juli unbe­zahlt das Pro­jekt zu Ende brin­gen.“

„Leh­re an der Uni: Eini­ge Stu­die­ren­de berich­ten von einer digi­ta­len ‚Erschöp­fung‘. Jeden Tag auf den Moni­tor bli­cken, macht wohl mür­be.“

„Digi­ta­le Leh­re hat Vor- und Nach­tei­le. Eini­ge fin­den VL & SE (bei­des als Video mit Audio­text) sehr gut, da sie so immer zurück­spu­len und sich bestimm­te Inhal­te noch­mal anhö­ren und ver­tie­fen kön­nen. Vie­le füh­len aber kei­nen Zwang, sich Woche für Woche mit den Inhal­ten dann aus­ein­an­der­zu­set­zen. Etwa 1/3 der Stu­die­ren­den lädt der­zeit die Sachen nicht run­ter.“

„Für mich ist der Auf­wand für digi­ta­le LV wesent­lich höher, wofür es kei­ne offi­zi­el­len Ent­las­tun­gen bis­her gibt. Auf­grund der Nicht­ver­gü­tung (unbe­zahl­ter Lehr­auf­trag) ist die Moti­va­ti­on natür­lich nicht immer so hoch.“

„Im Semi­nar: Grup­pen­ar­beit klappt, trotz der poten­zi­el­len Fle­xi­bi­li­tät, mal mehr und mal weni­ger gut. Durch den aus­schließ­lich digi­ta­len Kon­takt auch der Stu­die­ren­den haben eini­ge Pro­ble­me, ihre Grup­pen­mit­glie­der zu errei­chen. Somit bleibt die Arbeit t.w. wie­der nur an den Flei­ßi­gen hän­gen.“

„Digi­ta­les Som­mer­se­mes­ter 2020: Per­sön­li­cher Kon­takt zu Stu­die­ren­den fehlt. Läuft tech­nisch und inhalt­lich aber erstaun­lich gut.“

„Befris­tet ange­stellt, bleibt nichts anders übrig, als das gefor­der­te Lehr­de­pu­tat in die­sem Semes­ter zu erbrin­gen, auch wenn es viel mehr Auf­wand ist als in einem ‚nor­ma­len‘ Semes­ter. Ich kann die Leh­re nicht – wie unbe­fris­tet ange­stell­te Kolleg*innen – im kom­men­den Semes­ter nach­ho­len.“

„Prak­tisch alle Tagun­gen fal­len die­ses Jahr aus. Die Kon­tak­te und der wis­sen­schaft­li­che Input dadurch feh­len. Dafür ist nun Zeit für Publi­ka­tio­nen. Die Arbeit dar­an ist eine ange­neh­me Abwechs­lung, die ich mir auch gön­ne, um das unge­lieb­te Home­of­fice zu über­ste­hen.“

 

Nach­trag: Nach dem 30.5. wur­de noch ein wei­te­rer Ein­trag auf der Pinn­wand hin­zu­ge­fügt

„Nach sechs Jah­ren, die ich dar­an saß, habe ich wäh­rend des Lock­downs ENDLICH mei­ne Dis­ser­ta­ti­on abge­schlos­sen und sie letz­te Woche digi­tal ein­ge­reicht.“

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