Wie wir wurden, was wir sind – kleine Beitragsreihe zur Geschichte des Netzwerkes und der Geschlechterarchäologie
Autorinnen: Jana Fries, Kerstin Kowarik, Clara Schaller und Susanne Moraw, Datum: 03.11.2020
Unser Netzwerk FemArc wird nächstes Jahr dreißig Jahre alt. In diesen drei Jahrzehnten hat sich viel in der (deutschsprachigen) Archäologie verändert und auch wir haben uns entwickelt. Deshalb soll nächstes Jahr nicht nur zurückgeschaut und gefeiert werden – das natürlich auch. Wir wollen daneben auch erneut grundsätzlich die Situation von Geschlechterthemen innerhalb der Archäologie betrachten, unsere Haltung, Überzeugungen und Methoden als Netzwerk reflektieren, unsere Ziele betrachten und, wo sinnvoll, verändern und ergänzen. Weiter sollen unsere Strukturen, Kommunikationswege und unser Wirken nach außen unter die Lupe genommen werden.
Das ist eine umfangreiche Aufgabe, die nicht an einem Termin zu schaffen ist, sondern einen längeren Prozess voraussetzt. Wichtig dabei wird unser für den Juni geplantes Treffen in Nürnberg sein und wir hoffen sehr, dass es wie vorgesehen stattfinden kann. Damit wir dort erfolgreich sein können, ist sinnvoll, schon jetzt Themen zu benennen und uns die eigenen Standpunkte bewusst zu machen.
Hilfreich ist in solchen Zusammenhänge immer auch der Blick in die Vergangenheit. Die Blog-Redaktion möchte deshalb eine kleine Reihe von Beiträgen zur Geschichte und Entwicklung unserer Themen und unserer Organisation anstoßen, möglichst mit Blicken von innen und außen.
Den Anfang macht Susanne Moraw mit einem Bericht über die Gründung. Vorschläge für weitere Themen sind herzlich willkommen.
Jana Fries, Kerstin Kowarik und Clara Schaller
Zur Gründung von FemArc. Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen
FemArc – oder wie es damals noch hieß: Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen – hat zwei Wurzeln: Feminismus und Universität. Im Wintersemester 1988/89 kam es aufgrund von schlechten Studienbedingungen und Mangel an studentischer Mitbestimmung an vielen westdeutschen Hochschulen zum UNiMUT-Streik. Damit verbunden waren zum Beispiel die Besetzung von Instituten durch Studierende, die Herausgabe von Streikzeitschriften wie die Berliner Besetzt(<http://unimut.blogsport.de>) oder die Heidelberger UNiMUT (<https://www.uni-heidelberg.de/unimut/wir.html>) und die Selbstorganisation von Lehrveranstaltungen in so genannten autonomen Seminaren. Zu den Merkmalen des UNiMUT-Streiks gehörten weiterhin eine starke weibliche Präsenz und ein gewisses feministisches Bewusstsein.
All das hatte Auswirkungen auch auf die archäologischen Fächer, vor allem auf die Ur- und Frühgeschichte: An der Universität Tübingen veranstalteten zwei Studentinnen ein Autonomes Seminar zur feministischen Geschichtswissenschaft; an der Universität Kiel gründeten Studentinnen eine Frauen-AG. In beiden Fällen ging es zunächst einmal darum, Grundlagenliteratur zur feministischen Theorie und zur archäologischen Frauen- und Geschlechterforschung zu rezipieren und zu diskutieren. Ein weiterer Schritt war, das Fehlen entsprechender Fragestellungen in der Mainstream-Literatur des Fachs zu konstatieren – ganz zu schweigen von fehlender Reflexion über die Strukturen und geschlechterspezifischen Machtverhältnisse der wissenschaftlichen Disziplin Ur- und Frühgeschichte.
Um diese Aspekte in einem größeren Rahmen zu diskutieren, wurde im Januar 1991 an der Universität Tübingen das Symposion Feminismus & Archäologie?! organisiert und noch im selben Jahr im Selbstverlag publiziert (<https://www.femarc.de/femarcedition/buecher/113-tuebingen.html>). Das Tübinger Symposion war die Gründungsveranstaltung von FemArc. In der Abschlussdiskussion wurde von den Teilnehmerinnen der Beschluss zur Gründung eines Netzwerks archäologisch arbeitender Frauen gefasst.
Als Ziele und Aufgaben wurden damals definiert: die Anlage einer Adressliste aller an Vernetzung interessierter Frauen; die Anlage einer Literaturdatei mit einschlägigen Werken; die Einrichtung eines Informationsblatts vergleichbar den damals gängigen Streikzeitschriften; die Schaffung eines wissenschaftlichen Diskussionsraums für Frauen; die Förderung von daraus entstandenen Publikationen; das Zusammenführen von universitärer und außeruniversitärer feministischer archäologischer Forschung; und schließlich die Enttabuisierung und Implementierung feministischer archäologischer Forschung an den Universitäten. Die meisten der hier gesteckten Ziele konnten im Verlauf der folgenden Jahre umgesetzt werden. Das wäre das Thema für einen anderen Blog.
Susanne Moraw
Der Text ist ein Auszug aus dem Aufsatz FemArc. Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen e.V. – die ersten 25 Jahre, der demnächst im Tagungsband zur Tagung zum 25-jähringen Bestehen von FemArc – Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen e.V. erscheinen wird.
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